Kelten – Geschichtliche Darstellung

Der aus Apameia in Syrien stammende Historiker und Philosoph Poseidonios (um 135 bis um 50 v.Chr.) verbrachte den Großteil seines Lebens auf der Insel Rhodos, wo er die dortige Schule der Stoiker leitete. Poseidonios war ein Universalgelehrter, der praktisch das gesamte Wissen des hellenischen Zeitalters verkörperte und zum größten Teil an die römische Welt  weiter gab. Seine 52 Bücher zur Geschichte bildeten die Fortsetzung des Werks von Polybius (um 200 bis nach 118 v.Chr.), des griechischen Historikers, der Roms Aufstieg zur Weltmacht dokumentierte. Poseidonios Geschichtsschreibung umfasst die Periode des römischen Imperialismus von 146 bis 81 v. Chr. Zum Leidwesen der Altertumsforscher sind jedoch nur sehr wenige Fragmente davon erhalten geblieben. Er war weit gereist und hat auch Gallien besucht. Obwohl Grieche, war Poseidonios ein fanatischer Bewunderer des römischen Weltreiches, das seiner Meinung nach die Ansicht der Stoiker von der Verwandtschaft aller Menschen verkörperte, und zwar mit der Begründung, dass Rom seine Herrschaft über alle Völker der bekannten Welt ausdehnen wollte. Aus diesem Grunde vertrat er in seinem Werk eine Haltung, die die imperialistischen Bestrebungen Roms unterstützte, indem er von fremden Gesellschaften ein einseitiges, vorurteilsbehaftetes Bild zeichnete. Diese Einstellung muss man berücksichtigen, wenn andere Schriftsteller Poseidonios als Autorität zum Thema Kelten zitieren.

Vieles spricht dafür, dass Poseidonios‘ Werk über die Kelten Galliens vier antiken Autoren als Quelle diente: Timagenes von Alexandria (um die Mitte des ersten Jahrhunderts v.Chr.), dem römischen General und Diktator Gaius Julius Caesar (100 bis 44 v. Chr.), dem in Sizilien lebenden griechischen Historiker Diodorus Siculus (um 60 bis um 21 v. Chr.) und Strabo, einem griechischen Geographen aus Amaseia in Pontos (64 v. Chr. bis 24 n.Chr.). Diese Gelehrten werden oft sogar als die »Poseidonios-Schule« bezeichnet; ihre Werke gehören zu den frühesten uns erhaltenen Schriften über die Druiden und entstanden etwa zur gleichen Zeit.

Diodorus und Strabo teilten die intellektuelle Klasse Galliens in drei Kategorien ein. So schreibt Strabo in seiner Geogmphia:
„Unter allen Stämmen stehen durchweg drei Klassen in besonderem Ansehen: die Barden, die Ovaten und die Druiden. Die Barden sind Hymnensänger und Dichter, die Ovaten opfern und erforschen die Natur, die Druiden beschäftigen sich neben der Betrachtung der Natur auch mit der Sittenlehre. Man hält sie für die Gerechtesten und überlässt ihnen deshalb die privaten und öffentlichen Streitigkeiten zur Entscheidung; in früheren Zeiten schlichteten sie Kriege und stifteten Frieden zwischen Heeren, die sich schon zur Schlacht rüsteten. Auch in Mordfällen wurden sie meistens mit der Entscheidung betraut… Mit Anderen halten sie die menschliche Seele und die Welt für unzerstörbar, wenn auch Feuer oder Wasser vorübergehend die Oberhand gewinnen“.

Zum gleichen Urteil kommt auch Diodorus; ferner weist er darauf hin, dass die Druiden hohes Ansehen genossen und die Ovaten anhand von geschlachteten Tieren und dem Flug oder den Lauten von Vögeln die Zukunft voraussagten. Diodorus zitiert Timagenes als Autorität zu den Druiden. Die Dreiteilung der intellektuellen Klasse Galliens (Druiden, Ovaten und Barden) wird insofern durch eine keltische Quelle bestätigt, als dieselben Klassen auch in Irland bekannt waren (Druid, Bard und Fili), eine Tatsache, die den gemeinsamen keltischen Ursprung beider Sozialordnungen belegt.

Dieselbe Einteilung der gallischen Intellektuellenschicht trifft auch ein späterer griechischer Gelehrter, Ammianus Marcellinus aus Antiochia (um 330 bis 395), der als der letzte große »Historiker Roms« gilt. Auch er nennt den Griechen Timagenes als Quelle. Timagenes stammte aus Alexandria, wo er 55 v. Chr. Gefangen genommen und nach Rom gebracht wurde. Nach seiner Freilassung dort wurde er ein erfolgreicher Rhetoriklehrer. Später fiel er jedoch bei Kaiser Augustus in Ungnade, weshalb er seine Werke verbrannte und Rom verließ. Man glaubt, dass Timagenes in Mesopotamien starb.

Ammianus Marcellinus zitiert Timagenes mit der Feststellung, dass die Druiden eine Art Gilde oder Organisation bildeten – soda-liciss adstricü consortiis – und als Autoritäten zur Geschichte der Gallier galten. »Sie behaupten, nur ein Teil der gallischen Rasse stamme ursprünglich aus Gallien; die anderen seien von den vorgelagerten Inseln und den Regionen jenseits des Rheins eingedrungen. Es ist bedauerlich, dass Timagenes diese druidische Darstellung der Geschichte nicht weiter ausgeführt hat. Diese stimmt nämlich völlig überein mit allem, was wir aus der Archäologischen Forschung über die Kelten wissen.

Strabo beschreibt die Kelten sehr kritisch und beschreibt ihren Brauch die Köpfe ihrer getöteten Feinde nach einer Schlacht abzuschlagen und als Trophäe nach Hause zu tragen. Strabo war mit Sicherheit nicht Zeuge dieser Sitte, und er versteht sie auch nicht ganz. Doch  er zitiert Poseidonios als seine Quelle und fügt hinzu, dieser habe das oft gesehen; zunächst habe es ihn abgestoßen, aber später habe er sich daran gewöhnt und sich nicht mehr darüber

empört. Dann spricht Strabo davon, dass die Gallier die Köpfe besonders berühmter Feinde einbalsamierten und sich weigerten, sie zu verkaufen. Sodann fährt er fort – und hier müssen wir uns daran erinnern, dass er nach der römischen Eroberung Galliens schreibt: »Die Römer bereiteten diesen Bräuchen ein Ende, und auch all jenen, die mit den Opfern und Weissagungen zu tun haben, welche zu unseren Gepflogenheiten im Gegensatz stehen.«

Diodorus beschreibt die gallischen Kelten sehr viel eingehender als Strabo, vor allem, was deren gesellschaftliches und militärisches Brauchtum anbelangt. Er erwähnt auch ihre Sitte mit den Köpfen von Feinden, und zwar auf eine Art und Weise, die jener Strabos verblüffend gleicht, und ebenso wie dieser spricht er kurz vom Glauben der Gallier an die Unsterblichkeit der Seele, den er jedoch auf die »Lehre des Pythagoras« zurückfuhrt. Diodorus schreibt:

„Überaus gelehrt sind bei ihnen einige Philosophen, die auch der göttlichen Dinge kundig sind und Druiden genannt werden. Auch Wahrsager haben sie, denen gleichfalls große Ehre erwiesen wird. Sie weissagen aus dem Vogelflug und aus der Beschauung der Opfertiere, und alles Volk glaubt und gehorcht ihnen. Besonders haben sie für gewisse Fälle eine höchst auffällige und kaum glaubliche Art, das Zukünftige zu erforschen. Sie weihen nämlich einen Menschen und stoßen ihm dann ein Schwert oberhalb des Zwerchfells in die Brust, und wenn das Opfer getroffen zusammenstürzt, erkennen sie aus der Art und Weise, wie es niederfällt, sowie aus den Zuckungen der Glieder und dem Ausströmen des Blutes das Zukünftige, wobei sie einer alten und durch lange Beobachtung erprobten Erfahrung Glauben schenken. Es ist bei ihnen Sitte, überhaupt kein Opfer ohne Zuziehung eines Philosophen zu bringen, denn sie sagen, man müsse seine Dankbezeigungen den Göttern durch solche Männer darbringen, die des göttlichen Wesens kundig seien und gleichsam dessen Sprache verstünden, und durch deren Vermittlung müsse man sich auch das Gute erbitten.“

Es kann wohl kaum ein Zweifel daran bestehen, dass Strabo und Diodorus ihre Information letztlich aus einer gemeinsamen Quelle beziehen. Sie folgen offensichtlich einem ähnlichen Text. Strabo beruft sich beim Einbalsamieren der Köpfe auf Poseidonios als seinen Gewährsmann. Aber zitieren Strabo und Diodorus Poseidonios direkt oder beruhen ihre Aussagen vielleicht auf Timogenes, der ihnen das Werk des Poseidonios als Vermittler nahe gebracht haben könnte?

Alfred Klotz, ein Wissenschaftler für lateinische Literatur, ging von einer solchen Vermittlerrolle des Timogenes aus, weil er glaubte, dass das Werk des Poseidonios zu der Zeit, als Caesar, Strabo und Diodorus schrieben, bereits verloren gegangen war. Poseidonios‘ Schriften waren jedoch Athenaeus (um 200 n.Chr.) noch zugänglich, der ihn ebenfalls als seine Quelle in Bezug auf keltische Bräuche nennt -Bräuche, die zum Teil den bei Diodorus erwähnten gleichen. Allerdings benutzt Athenaeus genügend Originalzitate, um zu belegen, dass ihm die ursprüngliche Quelle vorlag und er sich nicht nur auf Diodorus stützte. Strabo dürfte zu beiden Quellen Zugang gehabt haben. Aber gleichgültig, ob er sein Material dem Original entnahm oder von Timagenes aus zweiter Hand erfuhr – wichtiger ist, dass sowohl Diodorus als auch Strabo einer Quelle verpflichtet sind, nämlich den verschollenen Schriften des Poseidonios.

Überdies sollte man betonen, dass Strabos Geographica eine gezielte Attacke gegen die Kelten war, die verfasst wurde als Rechtfertigung für Julius Caesars Eroberung Galliens und seine Versuche, die keltische Intelligenz und ihre Bildungsstätten zu unterdrücken. Poseidonios‘ pro-römische, stoische Haltung hätte sein Werk zu einer zufrieden stellenden Quelle für Strabo gemacht.

Wenden wir uns dem römischen Feldherrn zu, der Gallien eroberte und den Versuch unternahm, die gesamte keltische Welt mit Ausnahme Irlands der Pax Ramana zu unterwerfen. Gaius Julius Caesar verbrachte bei diesem Eroberungszug mit Sicherheil viel Zeit bei den Kelten und kann uns deshalb naturgemäß mehr über sie sagen als andere Autoren.

Im sechsten Buch seines Werks De Bello Gallico behauptet Caesar, es habe in Gallien drei soziale Klassen gegeben – die Intellektuellen, Druiden (Druide!,) genannt; die militärische Kaste (Equites) und das gemeine Volk (Plebs). Hier also erkennt er den Druiden den ihnen gebührenden Rang noch zu, doch im Folgenden beschreibt er nur mehr eine religiöse Priesterschaft, ohne die Druiden jedoch ausdrücklich als Priester zu bezeichnen:

„Die Druiden versehen den Gottesdienst, besorgen die öffentlichen und privaten Opfer und regeln die Ausübung der Religion! Bei ihnen finden sich Männer in großer Zahl zur Unterweisung ein, und sie genießen bei allen hohes Ansehen. Denn bei allen öffentlichen und privaten Streitigkeiten urteilen und entscheiden sie. Sie setzen Belohnung und Strafe fest, wenn ein Verbrechen begangen wurde, ein Mord geschah. Erbschafts- und Grenzstreitigkeiten ausbrechen. Fügt sich ein Privatmann oder ein Volk ihrem Entscheid nicht, so schließen sie die Betroffenen vom Gottesdienst aus. Dies bedeutet bei ihnen die härteste Strafe. Die so Ausgeschlossenen gelten als gottlose Verbrecher, ihnen gehen alle aus dem Wege. ihre Annäherung und ihr Gespräch meidet man, um nicht aus der Berührung mit ihnen Nachteil zu erleiden. Solchen wird, auch wenn sie um ihn nachsuchen, kein Rechtsbescheid oder Beistand erteilt, noch wird ihnen irgendwelche Ehre erwiesen.“

Er gibt  auch Auskunft darüber, wie die Druiden in Gallien organisiert waren:

„An der Spitze aller Druiden steht einer, der bei ihnen das höchste Ansehen genießt. Nach seinem Tode tritt an seine Stelle der, der unter den Übrigen an Würde hervorragt; wenn mehrere gleiche Bewerber da sind, entscheiden in dem Wettstreit die Stimmen der Druiden, bisweilen auch die Waffen. Sie tagen zu einer bestimmten Jahreszeit in einer geheiligten

Stätte im Lande der Camuten, das ungefähr in der Mitte ganz Galliens liegt. Dort treffen sich von überall alle, die Streitigkeiten haben, und beugen sich der Entscheidung und dem Urteil der Druiden.

Die Lehre (der Druiden) soll in Britannien aufgekommen und von dort nach Gallien gelangt sein, und auch jetzt noch reist, wer sie genauer erforschen will, meist dorthin, um sie zu erlernen. Hinweise auf Druiden-Schulen oder -Akademien finden sich unter anderen in der irischen und walisischen Tradition. Die Druiden ziehen gewöhnlich nicht mit in den Krieg und zahlen auch keine Abgaben – wie die anderen, sind vom Waffendienst befreit und genießen Freiheit von allen Leistungen. Durch so große Vorrechte verlockt begeben sich viele freiwillig in ihre Lehre oder werden von ihren Eltern oder Verwandten hingeschickt. Sie sollen dort Verse in großer Zahl auswendig lernen; deswegen bleiben einige zwanzig Jahre in der Lehre.“

Einer der wichtigsten Punkte, die Caesar nennt, ist folgender:

„Sie (Die Druiden] halten es für Sünde, [ihre Lehre] schriftlich niederzulegen, während sie fast in allen übrigen Angelegenheiten, in Staats- und Privatgeschäften, die griechische Schrift benutzen. Sie scheinen mir aus zwei Gründen dies eingeführt zu haben: Sie wollen nicht, dass die Lehre unter der Menge verbreitet werde, noch dass die Schüler, sich auf das Geschriebene verlassend, das Gedächtnis weniger übten. In der Regel geschieht es bei den meisten, dass sie, gestützt durch das Geschriebene, im Lerneifer und im Gedächtnis nachlassen.“

Oberflächliche Interpretation und fälschliche Auslegung von Caesars Bemerkungen haben vielfach zu der Meinung geführt, die Kelten seien Analphabeten gewesen. Es wurden jedoch in einigen Regionen keltische Texte gefunden, die in griechischer oder lateinischer Schrift abgefasst waren und auf das dritte oder zweite vorchristliche Jahrhundert datierbar sind. Inschriften aus dem alpinen Gallien, etwa die Steine von Todi, Briona und Saignon, wurden in jüngster Zeit eingehend untersucht. Lange Zeit galt der komplizierte, auf das erste vorchristliche Jahrhundert zurückgehende Kalender von Coligny als frühester umfassender Text in einer keltischen Sprache. Dann wurde 1983 in La Vayssiere eine Tafel aus Blei gefunden, die mittlerweile als »Larzac-Inschrift« bezeichnet wird; sie ist in lateinischer Schreibschrift verfasst, gilt als »der bisher längste bekannte gallische Text« und wird auf das erste oder zweite Jahrhundert v. Chr. datiert. Eine weitere Entdeckung erfolgte im Dezember 1992 in Nordspanien; dabei handelte es sich um einen keltischen Text, der auf eine Bronzetafel geschrieben wurde. Die Meinung heutiger Wissenschaftler zur Frage des Analphabetentums der Kelten hat sich seitdem rapide verändert. Die vieldiskutierte Lehre der Druiden über die Unsterblichkeit der Seele kommentiert Caesar wie folgt:

„Vor allem wollen sie die Überzeugung hervorrufen, dass die Seelen nicht vergehen, sondern nach dem Tode von einem zum andern wandeln. Sie glauben, dass man vor allem durch diese Lehre, wenn die Todesfurcht beseitigt sei, zur Tapferkeit angespornt werde“.

Einen weiteren faszinierenden Kommentar gibt Caesar zum astronomischen Wissen der Druiden ab, und mit diesen Äußerungen befindet er sich im Einklang mit anderen Beobachtern: „Viel disputieren sie außerdem über die Gestirne und ihren Lauf, über die Größe der Welt und der Erde, die Natur der Dinge und über das Walten und die Macht der Götter und teilen das der Jugend mit.“ Für Caesar besteht also kein Zweifel daran, dass der Einfluss der Druiden in allen öffentlichen und privaten Angelegenheiten ausschlaggebend und ihre Entscheidungen endgültig sind.

Auch wenn Caesars Darstellung stellenweise ausführlich ist, so lässt doch die Art und Weise seiner Bemerkungen sowie der Äußerungen Diodorus‘ und Strabos es offensichtlich erscheinen, dass sich diese drei Autoren alle einer gemeinsamen Quelle bedienten, nämlich des Poseidonios.

Trotz der Voreingenommenheit unserer pro-römischen Informanten müssen wir ihnen für ihre Beobachtungen durchaus dankbar sein. Vor allem Caesar, der im Verlauf seines Eroberungskrieges viel mit Galliern in Berührung kam, vermittelt uns wichtige Kenntnisse, die bei Strabo und Diodorus fehlen und sich auch nicht auf Poseidonios zurückführen lassen. Die Feststellung Caesars, die für unsere Behauptung von Bedeutung ist, besteht darin, dass er die gesamte intellektuelle Klasse der Gallier als »Druiden« bezeichnet, und das kann niemand besser beurteilen als er. Wir wollen uns nicht von Caesar abwenden, ohne vorher zwei Druiden zu erwähnen, die er persönlich kannte. Divitiacus war ein Häuptling (princeps) der Aeduer, deren Hauptstadt die Hügelfestung Bibracte (Mont-Beuvray) war. Er wurde zur »Achillesferse«, zum Auslöser für die römische Eroberung Galliens. Divitiacus suchte einen mächtigen Verbündeten für seinen Kampf  gegen die in Gallien einfallenden Germanen. Im Jahre 60 v. Chr. reiste er deshalb nach Rom, wo er vor dem Senat um militärische Unterstützung nachsuchte. Während seines Aufenthalts war er Gast des Verwalters Quintus Tullius Cicero (102 v. Chr.), einem fähigen Soldaten und Bruder des berühmten Redners und Staatsmanns Marcus Tullius Cicero (106 bis 43 v. Chr.). Dieser erwähnt, dass Divitiacus ein in der Naturphilosophie bewanderter Druide war und die Zukunft vorhersagen konnte. In einem Brief an seinen jüngeren Bruder schreibt Marcus Cicero:

„Weissagungen sind sogar bei den barbarischen Völkern bekannt, denn es gibt in der Tat in Gallien Druiden; ich selbst kannte einen von ihnen, Divitiacus vom Stamm der Haeduer, deinen Gast, der voll des Lobes für dich ist; er erklärte, in der Lehre unterrichtet zu sein, welche die Griechen Naturphilosophie nennen, und er konnte mit Hilfe von Augurien und Schlussfolgerungen die Zukunft vorhersagen.

Vermutlich kehrte Divitiacus mit einigen vagen Versprechungen der Römer bezüglich einer Allianz nach Hause zurück, denn er unternahm alles, was in seiner Macht stand, um ein solches Bündnis zu erreichen.

Caesar jedoch überredete den Senat dazu Divitiacus‘ Feind, den germanischen Heerführer Ariovist, in dessen Kampf gegen die Kelten zu unterstützen. Im Jahre 58 v. Chr. fand Caesar die Gelegenheit, in Gallien einzugreifen und die Eroberung der Gebiete zu beginnen, die in Rom für das Kernland der Kelten gehalten wurden.

Die Aeduer standen nicht einhellig hinter Divitiacus‘ pro-römischer Politik. Der anti-römische Teil des Stammes gruppierte sich um Divitiacus jüngeren Bruder Dumnorix (der Name bedeutet »König der Welt«), der offenbar ebenfalls ein Häuptling und Druide war. Als Caesar in das Territorium der Aeduer einmarschierte, schloss sich ein großer Teil des Stammes dem Widerstand um Dumnorix an. Daraufhin forderte Caesar Divitacius auf, Dumnorix zu verhaften. Dieser aber ergriff nun für seinen jüngeren Bruder Partei mit der Begründung, eine Bestrafung desselben würde ihn bei seinem eigenen Volk in Verruf bringen. Nach der Niederlage der Belgenstämme verschwand der König und Druide Divitacius aus der Geschichte. Bis zu diesem Zeitpunkt aber war er ein ständiger Gefährte Caesars in Gallien gewesen, der seine Stammesgenossen immer wieder gedrängt hatte, sich friedlich zu unterwerfen. Um den Druiden Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, muss man betonen, dass Caesar  Divitiacus nie als Druiden bezeichnet hat – Cicero ist hier die Quelle.

Sofern man für die eine oder andere Seite Partei ergreift, fällt es schwer zu akzeptieren, dass der Moralkodex des „Druiden“ Divitacius – der offenbar keine Gewissensbisse hatte, seine Stammesbrüder, um nicht zu sagen ganz Gallien, an die Römer zu verkaufen – als repräsentativ oder typisch für die Haltung eines Druiden bezeichnet werden kann. Und man darf wohl die Frage stellen, ob Divitacius, als er 54 v. Chr. verschwand, eines natürlichen Todes starb. Im selben Jahr stieg Dumnorix zum Führer der Aeduer auf und wurde so zum wichtigsten Feind Roms. Caesar beabsichtigte Dumnorix bei seiner Invasion Britanniens dorthin mitzunehmen, denn er wusste, wenn es während seines Aufenthalts auf der Insel in Gallien zum Aufstand käme, dann würde Dunmonorix der Anführer sein. Aber während er an der Kanalküste auf gutes Segelwetter wartete, entkamen ihm Dumnorix und seine Leute. Caesar schickte den flüchtigen Reiter nach, die den Keltenführer letztendlich überwältigen konnten; er weigerte sich jedoch zu kapitulieren und wurde getötet. In seinen letzten Worten erklärte er, ein freier Mann zu sein und einem freien Volk anzugehören. Sein Tod wurde für die Gallier und Kelten ein Signal für den Aufstand und zum Beginn eines Befreiungskrieges, den Rom nicht mehr besiegen konnte.