Das Vokabular der Triaden von Iolo Morgannwg

Diverse druidische Kollegen beziehen sich auf die bardischen Triaden von Iolo Morgannwg als Referenz, wenn sie Aussagen über druidische Lehren entwickeln. Andere nehmen Elemente der Triaden in ihre Werke auf, ohne sich ausdrücklich auf sie zu beziehen, bauen aber trotzdem auf ihnen auf.

Die einen wie die anderen tun das in gutem Glauben, aber auch leichtgläubig und aus Mangel an genauen Informationen darüber, wovon genau die Rede ist in diesen als bardisch bezeichneten Triaden, den Trioedd Barddas, die sie wahrscheinlich nicht unter Zuhilfenahme des Urtextes studiert haben.

Hier einige konkrete Informationen, die einer längeren Studie aller Aspekte dieser Frage entstammen und die unter dem Titel: Die angeblich bardischen Triaden von Morgannwg (Trioedd Barddas Ynys Prydain).

Williams, genannt Iolo Morgannwg, hat, schon teilweise das antike Druidentum seiner Epoche in bemerkenswerter Weise erneuert.

Nun hat die resultierende Vermehrung unserer Kenntnisse darüber diesen spürbaren Unterschied nicht verringert – ganz im Gegenteil.

Er war ohne Zweifel Monist1, so wie auch das Druidentum in diese Richtung tendierte.
Gewisse Punkte liegen direkt oder indirekt auf einer Linie mit dem, was als druidische Dialektik etabliert werden konnte.
Dem literarischen Spiel im Ausdruck der Triaden verleiht er ein Gefühl dreiseitiger Ausgewogenheit, das mit dem Anauo, dem Konzept der Harmonie, punktuell nicht vereinbar ist; Triaden, von denen wir ansonsten wissen, daß sie eine sehr alte mnemotechnische Methode bei den Kelten war.
Er spricht dem Schicksal der Transmigration der Seelen einen fast absoluten, gesetzmäßigen Charakter zu, obwohl die Reinkarnation nicht die einzige post mortem Angelegenheit im antiken druidischen Denken war.
Seine größte Innovation  war die Theorie der Kreise von Ceugant, Gwynfyd und Abred (im Bretonischen jeweils wiedergegeben als Keugant, Gwenved und Abred), von denen kompetente Keltologen, die das Druidentum erforschen, keinerlei Spuren in den antiken Lehren entdeckt haben.

Untersuchen wir einmal diese Schlüsselwörter in der Terminologie von Morgannwg in seinen Trioedd, von ihm selbst ins Gallische und Englische übertragen: diese Zweisprachigkeit beseitigt diverse potentielle Mehrdeutigkeiten in Bezug auf den Ausdruck seiner Gedankengänge.   

Cylch / Kelc´h

Tatsächlich schreibt Williams cylch, was den Bedeutungsbereich „Kreis“, zusätzlich erweitert auf „Sphäre“ (Kugel) umfaßt (genauer wäre dies durch das Wort cronell ausgedrückt), und jener Autor hat uns jedes Zweifels hinsichtlich seines Gedankengangs enthoben, indem er dafür gesorgt hat, den Begriff im englischen Text mit „circle“ wiederzugeben, nicht mit „sphere“. Im Altkeltischen hieß Kreis celico oder celeco, die Kugel dagegen crundnion.

Die, die dieser Vorstellung von Kreisen Glauben schenken, weisen mit Recht darauf hin, daß die Abwesenheit auch nur indirekter schriftlicher Zeugnisse kein Beweis dafür ist, daß die altkeltischen Druiden diese Vorstellung etwa nicht unterschrieben hätten. Bei unserem aktuellen Kenntnisstand bleibt nicht weniger, als zu sagen, daß diese Theorie der Kreise sich nicht mit der Logik der Weltanschauung der antiken Druiden deckt. Eher noch könnte man entfernte Analogien mit griechischen Spekulationen bilden, aber die würden nur kosmographische Thesen betreffen, ohne Ausdehnung auf die Domänen der Metaphysik und Theologie.

Auf der Ebene der Antike erscheint diese Vorstellung vom Kreis nur in dem Götternamen Endouellicos, alias Indouellicos, Endouolicos, der nur in Keltiberien und Lusitanien2 bezeugt ist; ein Name, der vielleicht „vom äußersten Kreis“ bedeutet, als Eigenschaft einer höheren Gottheit, vielleicht auch „das Unbenennbare“, was an Strabo erinnert. Uellico oder uelico war der Name eines Kreises, genauer, eines Rings. Dieses uelico scheint thematisch aus dem Wort suel -> uel „drehen“ entsprungen und bei der Bildung des Substantivs celico beteiligt gewesen zu sein. Ein lateinischer Beiname, der an Endouellicus angehängt wurde, ist eher unerwartet: Nigellius, „düster“, „finster“, dann spezialisiert er sich weiter zu Dits, von den Lateinern angeglichen an Dis Pater = Pluto … „interpretatio“.

Fahren wir fort mit den Namen, die diesen verschiedenen „Kreisen“ in den Trioedd zugeordnet werden.

Zieht man die Beweise in der keltischen Philologie heran, so kann man unter Vorbehalt den Begriff Ceugant und noch ein bißchen besser den Begriff Gwenfyd akzeptieren, vorausgesetzt, man bringt weder den einen noch den anderen mit dem Begriff des Kreises in der zweidimensionalen Geometrie in Verbindung. Man kann den „Kreis von Abred“ allerdings, so wie ihn Iolo beschrieben hat, nur kategorisch ablehnen.

Ceugant/Keugant

Laut Williams ist der Kreis von Ceugant (Cylch y Ceugant), bretonisch Kelh/Kelc´h Keugant ein Ort, wo es nichts außer Gott gibt, weder lebendig noch tot, und niemand kann ihn durchschreiten, außer Gott: Ile ni d´oes namyn Duw, na byw, na marw, ag nid oes namyn Duw a eill ei dreiglo… Somit handelt es sich um einen „Kreis“, zu dem nur Gott Zutritt hat.

Warum sollte der göttliche Raum einer zweidimensionalen Realität angehören? Man würde hier eher von vier Dimensionen als von drei ausgehen, die vierte wäre die unbeschränkte und ewige Raumzeit, die sicherlich viel schwieriger vorzustellen ist.

Der linguistische Ansatz suggeriert bei Ceugant eine Ableitung von einer alten, rekonstruierten Form, die eine Idee erschöpfender und/oder universeller Fülle ausdrückt: *couocanton „Vollendung“ und „Perfektion“ gleichzeitig; eine Etymologie, die mit dem IEW von Pokorny bemerkenswert übereinstimmt.

In diesem Sinn könnte man dieses Ceugant in den Triaden als einen Bereich absoluter Vollkommenheit betrachten (Wurzel: *can, Fülle/Vollkommenheit), aber das hieße trotzdem, von der druidischen Vorstellung abzuweichen…

Ende des wörtlich übersetzten Textes, ab hier nur noch Zusammenfassung!!

Mehr über Ceugant:

    1. Inspiration für Ceugant scheint für Morgannwg das buddhistische Konzept der Leere gewesen zu sein
    2. Alternative Etymologie: *couiocanton – Gesamtheit, evtl. auch cantos, „Kreis“, müßte dann aber nach gallischen Ableitungsregeln *caucant oder *ceucant, nicht Ceugant sein.
    3. Weitere Etymologie, ebenfalls unwahrscheinlich: *ce – ug (io) – cantos, von cebenna, Bergkette
    4. Spekulation: vielleicht haben die Druiden *couocanton (Fülle und Universalität) mit *couiocanton (Leere) spielerisch vermischt. Morgannwg hat das aber sicher nicht so gesehen (lt. Autor).
    5. Es existieren keinerlei Hinweise auf einen antiken Ursprung des Wortes Ceugant.

Über Gwynfyd (kymr.)/Gwenved (bret.):

  1. Eine irische Version würde Finnbith lauten, vom altkeltischen Uindobitu, von uindos / -a / -on „leuchtend weiß“ und bitu, „Welt“
  2. Gemeint ist wohl die (leuchtende) Anderswelt, wobei wieder die Frage besteht, warum sie zweidimensional kreisförmig sein sollte.
  3. In einem in der Literatur vorkommenden Ortsnamen Findmhagh Gwynfa (leuchtende Ebene der Anderswelt), was altkeltisch Uindomagos hieße, klingt Gwynfyd thematisch an.
  4. Selbst im christianisierten Gallien gab es das Wort Gwynfyd, dann allerdings nicht mehr als „helle“ oder „weiße“ Welt, sondern im Sinne einer Welt des Glücks oder der Seligkeit (= christliches Paradies), als Gegenstück zu Annwn.

Über Abred:

  1. Existiert nicht in alten Quellen. Ort der Transmigration (Durchwanderung)
  2. Präsentiert als schicksalhafte, unvermeidliche Erfahrung
  3. Entstammt dem Vokabular der gallischen Kirchen (!) mit rigorosen Moralvorstellungen.
  4. Abred bezeichnet eigentlich eine Befreiung, ein Loslassen oder die Emanzipation von etwas, wird im kirchlichen Bereich aber umgedeutet im Sinne von Zügellosigkeit, Deprivation, Sittenverfall.
  5. Morgannwg sah in Abred einen Zustand des Übels, interpretierte es also im kirchlichen Sinn.
  6. Könnte altkeltisch *abredio sein, Freilassung, oder *ab-raed „auf eine Reise gehen“ oder *ad-brita „Wiedergeburt“ oder *abrodumnon „verwirrende Welt“ (*abros/amros – verwirrend, wunderbar, unerklärlich, außergewöhnlich und *dumnon – Welt).

Über Cythraul:

  1. Ebenfalls unbekannt in den alten Texten.
  2. Im späteren Gallisch bedeutet es „Dämon“ (im christlichen Sinn).
  3. Bretonisch Gwastadur, „Zerstörer“, „Unruhestifter“
  4. Evtl. von cythrublu, „stören, durcheinander bringen“, oder cythruddo, „provozieren, ärgern“
  5. Verwandtschaft zu kirchenlat. Contrarius, „Gegner“

Über Awen:

  1. Findet man in antiken Texten. Vergöttlichte Abstraktion: Auentia, Inspiration, Atem, von auent / uent „blasen/flüstern, Wind“.
  2. Durch Verwandtschaft zu euen / eun „gerecht“ Idee der Gerechtigkeit oder Richtigkeit
  3. Awen ist ein personalisiertes Konzept der Inspiration, eine Art Muse. Ableitungen wie Awenydd sprechen im doppelten Sinn von Poesie und Inspiration.
  4. In den Triaden wird Awen im Sinne von „ursprünglich“ benutzt, auch: awen gysefin „ursprüngliche Inspiration“ (d. h. Inspiration aus der primären Quelle)
  5. Awen in neodruidischen Ritualen wie das kirchliche „Amen“ gebraucht (lt. Autor ein dummer Brauch, da Awen einen völlig anderen Sinn hat. Zudem gibt es in Morgannwgs Texten etwas authentisch Gallisches, was sich viel besser eignet: ison son bissiet (so sei es).

Über Annwn:

  1. Derivat von Andumnon, „die Nicht-Welt“; alter gallischer Name Annwfn
  2. Im Gegensatz zu bitu, was ebenfalls Welt bedeutet, drückt dumn Tiefe aus
  3. Im antiken Druidentum ist Andumnon „eine von drei Anderswelten“, in der bardischen Tradition eine Welt, die von den Göttern (Sid) bewohnt wird
  4. Im Christentum nimmt das Wort die Bedeutung „Hölle“ an
  5. Im modernen Kymrisch hat es verschiedene Bedeutungen: Unter- (irdische) Welt, Abgrund (Abyss) oder Hölle von daher Gegensatz zu Gwynfyd, das Morgannwg im Himmel (yn y Nef) plaziert.

Generelles:

Ein starker christlicher Einschlag ist bewußt oder unbewußt in Morgannwgs Triaden eingeflossen. Er geht über das Vokabular hinaus und bis in die Vorstellungswelt hinein, die dem antiken Druidentum widerspricht. Beispiele: Gwynfyd und Annwn als Gegenwelten (Himmel/Hölle). Im antiken Druidentum sind die Anderswelten immateriell und überschneiden sich mit unserer Welt der Lebenden.
Morgannwg denkt zweidimensional, wo die Druiden schon dreidimensional dachten und von einem gekrümmten Universum (Kuppeln, nicht Kreise) ausgingen. Er ist darin ein Kind des 18. Jahrhunderts.
Man findet in seiner Vorstellungswelt nicht nur christliche, sondern auch hinduistische Einflüsse: – Seelenwanderung im vedisch/brahmanisch/buddhistischen Sinn (Abred = Samsara), – Karma (indirekt), – Ahimsa (Wunschlosigkeit) in der Vorstellung von Anneisiau (Nichtbrauchen)
Was stimmt bei Morgannwg mit authentischen druidischen Lehren überein?

  1. Wahrhaftigkeit als essentieller Wert
  2. Das Preisen von Mut/Seelenstärke
  3. Respekt vor Wissen/Gelehrsamkeit
  4. Respekt vor dem Leben
  5. Ethische Grundhaltung
  6. Anspielungen auf dreigeteilte Gesellschaft

Schlußbetrachtung

Ein Großteil von Morgannwgs Triaden transportiert christliche, hinduistische und buddhistische Vorstellungen, obgleich auch einige druidische enthalten sind. Damit bilden die Barddas eine Art „Neues Testament“ der antiken Lehren. Es bleibt den einzelnen Gruppen überlassen, inwieweit sie ein solches akzeptieren und in ihr Lehrgebäude aufnehmen wollen.

 

1 – Anhänger des Monismus (d. i. die philosophische Position, wonach sich alle Vorgänge und Phänomene der Welt auf ein einziges Grundprinzip zurückführen lassen).

2 – Vorläufer von Spanien und Portugal