Kelten – Einführung in die Religion der Kelten

Da vielen Menschen heute diese Vorstellungen, die eng mit der Natur verbunden sind, ziemlich fremd erscheinen, möchten wir zunächst eine allgemeine Einleitung in diese Vorstellungswelt an den Anfang stellen. Im ersten Abschnitt wird die Rede von Seelenglaube und Naturverehrung sein. Im zweiten Abschnitt folgt eine Einführung in die keltische Religion. Es sei darauf hingewiesen, daß eine Religion ihre Motive und Ideen aus vielen Quellen schöpft, und jeder Versuch, alle Aspekte einer Glaubensrichtung auf einen Ursprung zurückzuführen, legt nur eine einseitige und eingeschränkte Betrachtungsweise offen.

Bei allen alten Völkern findet sich neben der Vorstellung von einem Fortleben der Seele über den Tod hinaus, auch die Vorstellung und der Glaube an die beseelte Natur, die den Menschen umgibt. Damit sind zwei Quellen der naturverbundenen Religionen die Seelen- und die Naturverehrung aufgezeigt, wobei beide eng miteinander verflochten sind.

In der Auffassung des Seelenglaubens galt die ganze Erde und der Himmel als beseelt. Daraus ergeben sich verschiedene Vorstellungen über das Fortleben und den Aufenthaltsort der Seele, nachdem diese den menschlichen Körper verlassen hat, z.B.:

Seelenverehrung in Tiergestalt

Da gibt es beispielsweise die Verehrung der Seele in Tiergestalten. Der Mensch, der früher in unmittelbarer Nachbarschaft der Tiere wohnte, musste, um überleben zu können, ihre Lebens- und Verhaltensweisen genau studieren. Dabei beobachtete er nicht nur, daß sie dem gleichen Prozeß von Leben und Sterben wie er selbst unterworfen sind, sondern er bewunderte vor allem ihren Mut, ihre Kraft und ihre Schlauheit. So mußten zwangsläufig auch die Tiere beseelt sein, und da der Mensch, vieles von ihnen lernen konnte, sprach er den Tieren eine erfahrene Seele zu. Es konnte die Seele eines Ahnen oder eines einst vertrauten Freundes oder Feindes sein.

In vielen Religionen nehmen bestimmte Tiere wie Schlangen, Kröten, Mäuse oder Vögel eine bedeutende Stellung bei der Seelenverehrung ein.

Seelenverehrung in Menschengestalt

Der schlafende Mensch lag wie ein Toter regungslos da. Man nahm an, daß die Seele während des Schlafes den Körper verläßt, um mit den Ahnen in Kontakt zu treten. Die Erfahrung des Traumes, in dem die Gestalt einer verstorbenen Person erschien, schrieb man der Seele jener Person zu, die Kontakt aufnahm,  um zu warnen, um Recht zu fordern, um Rat zu erteilen oder um zu quälen.

Mit Gebeten und Gesängen wurden Bestattungen begleitet, Gräber mit verschiedensten Beigaben versehen, um die Seele in Menschengestalt auf dem Weg zu ihrem Aufenthaltsort zu begleiten. Die Totenpflege und der mit ihr verbundene Ahnenkult sind ein komplexes Gebiet. Sie hatten in allen Religionen einen hohen Stellenwert.

Aufenthaltsort der Seelen

Nachdem die Seele den Körper verlassen hat, hält sie sich entweder auf der Erde oder in Bergen auf oder zieht ins Seelenheim (Totenreich). Ausgehend von dieser Vorstellung verehrte man Orte, die besonders von Geistern heimgesucht wurden.

Hinter der Naturverehrung erhebt sich die Welt der Naturgeister und der großen, mächtigen Götter, die die Repräsentanten von Naturerscheinungen sind.

Die dem Menschen umgebende Natur rief die Vorstellung von übernatürlichen und menschenähnlichen Wesen hervor. Diese waren viel mächtiger als er selbst, sie trotzten seiner Begierde, sie konnten grossen Schaden anrichten und sie konnten auch von ebenso großem Nutzen sein.

Neben den Hauptgöttern war die Natur belebt von Wasser-, Feld-, und Waldgeistern, von Zwergen und Riesen und Elfen und Wichten. Die Elfen verkörpern die geheimnisvollen, in der Stille wirkenden Kräfte der Natur. Die Riesen sind die Vertreter der ungezügelten Naturgewalten der Elemente.

Bei den unterschiedlichen Naturreligionen finden die Naturgeister ihre Erklärung in der Gegend, wo sie entstanden sind und charakterisieren Züge des Volkes, dass sie verehrte.

Der Glaube an die Götter und Geister und an die beseelte Natur sind das bestimmende Element im Leben der Kelten. Übernatürliche Phänomene, die auf das Eingreifen von nicht-menschlichen Wesen zurückgeführt wurden, waren allgegenwärtig und eine Konfrontation mit ihnen unausweichlich.

Aktiv gelebte Religiosität und Spiritualität war bei den Kelten keine Sache für bestimmte Feiertage oder besondere Anlässe. Der gesamte Alltag war von diesem Glauben geprägt. Vieles, was uns heute als s.g. Aberglaube in unserer Gesellschaft erscheint, geht auf alte Ursprünge zurück. Als Beispiel dafür sei der für viele Menschen heute als bedrohlich empfundene Freitag der 13. erwähnt, der in Zusammenhang mit der keltischen Woche und dem Mondzyklus steht. Was genau es damit auf sich hat und welche weiteren Reste von keltischer Mythologie sich in unsere Tage hinüber “gerettet” hat, soll Inhalt eines eigenen Abschnittes werden.

Zunächst sei festgehalten, daß die Keltologie reichhaltige Zeugnisse von religiösen Vorstellungen und Praktiken gesichert hat. Das gilt vor allem für die Religiosität der adeligen Oberschicht. Der Grund dafür liegt zum einen in der besseren Dokumentation von deren Leben durch die klassischen Schriftsteller, zum anderen in den reichhaltigen Grabfunden, die weltlichen Besitz voraussetzen. Die Glaubenswelt der einfachen Menschen, der armen freien Bevölkerung und der Leibeigenen erschließt sich uns weit schwieriger, denn sie haben kaum etwas hinterlassen. Wie ihr gelebter Glaube aussah, läßt sich häufig nur noch vermuten und mühselig rekonstruieren.

Daß es Unterschiede zwischen der Religiosität der führenden Schichten und der einfachen Leute gab, hängt zusammen mit dem göttlichen Ideal der Kelten und der keltischen Gesellschaftsstruktur. Es sei an dieser Stelle an die ersten Kapitel dieser Serie erinnert, in denen beschrieben wurde, daß es eine keltische Elite durch Eroberung und Landnahme in weiten teilen Europas über eine ursprünglich nicht-keltische Bevölkerung herrschte.

Der von den Kelten mitgebrachte Glaube vermischte sich zu einem gewissen Grad mit dem der Urbevölkerung, wobei die einfache Bevölkerung wohl eine eher folkloristische Glaubensauffassung beibehielt, während die keltische Führungsschicht einen eher intellektuellen Glaubensstil pflegte. Ein Phänomen übrigens, das sich auch im christlichen Mittelalter wieder zeigt.

Trotz aller Erkenntnisse, die bereits über die Religion der Kelten gewonnen wurden, bleiben die beiden Hauptprobleme, die sich durch die gesamte Keltenforschung ziehen, bestehen: zum einen die fehlenden authentisch keltischen Schriftquellen, zum anderen die riesenhafte Ausdehnung des Keltenreiches in Zeit und Raum mit allen seinen lokalen und zeitlichen Unterschieden und Besonderheiten.

Vor allem der bewußte Verzicht auf schriftliche Übermittlung von Wissen, ist ein Eckpfeiler keltischer Religiosität und Kultur. Die geistigen und kulturellen Führer der Kelten kultivierten die Tradition der mündlichen Überlieferung und machten sie so gleichsam zu einem Markenzeichen der keltischen Kultur. Der Grund für ein solches Verhalten mag im eifersüchtigen Hüten von Wissen und Lehre zu sehen sein – nichts davon sollte an die Ohren blasphemischer Außenseiter dringen. Jahrelang dauerte die Ausbildung eines Druiden. Jahrelang hatte er von seinem Meister zu lernen. Mühsam hatte er sich uraltes geheimes Wissen anzueignen. Dieses Wissen sollte den keltischen Menschen vorbehalten bleiben. Der sicherste Schutz, es vor fremden Zugriff zu bewahren war es, es nur in den Köpfen einiger berufener weiterzutragen und niemals auf Papier oder Stein festzuhalten.

Der zweite Punkt, die räumliche und zeitliche Ausdehnung der keltischen Welt, stellt die Forschung vor die Frage, ob man überhaupt von einer keltischen Religion sprechen kann. Die Antwort lautet ja. Das Bemerkenswerte an der keltischen Religion ist ihre Homogenität in wesentlichen Aspekten. Natürlich gab es auch regionale Unterschiede. Das Stammeswesen begünstigte eine Ausbildung von lokalen Sitten und Gebräuchen. Bei einer räumlichen Ausdehnung vom Atlantik zum Schwarzen Meer, vom Mittelmeer zum Baltikum gab es ökologische, ökonomische und sprachliche Unterschiede. Und dennoch – es herrschte bei allen keltischen Menschen eine große Ähnlichkeit bei der Durchführung von Ritualen, die Arten der Kulte glichen sich sehr und vor allem teilte die keltische Welt die gleiche Auffassung vom Verhältnis zwischen natürlich und übernatürlich.

Der keltische Mensch nahm sich als Teil einer Gemeinschaft wahr. Selbst wenn ein Stamm religiöse Eigenarten entwickelte, so geschah das doch im Rahmen eines größeren Ganzen, das niemals aus den Augen gelassen wurde.