Im ersten Teil unserer Kelten-Serie sind wir auf die Wanderzüge der verschiedenen Keltenstämme eingegangen, die zur Besiedlung weiter Flächen Europas führten. Leicht konnte dabei der Eindruck entstehen, die keltenstämmigen Menschen hätten den größten Teil ihrer Lebensspanne mit Wanderung und Nomadentum zugebracht. Für manche Gruppen und manche Epoche mag das durchaus zutreffend sein, aber die Kelten waren auch seßhaft, bauten Siedlungen, betrieben Land- und Viehwirtschaft und vor allem Handwerk und Handel. Doch um geeignete Siedlungsgebiete für die Landwirtschaft oder eine praktikable Infrastruktur zur Errichtung von Handelswegen aufzuspüren, mußten die keltischen Stämme zunächst mühsame Züge durch das ursprüngliche, waldreiche Europa auf sich nehmen. Doch wie bewegt sich ein Troß von etlichen Menschen mit sämtlichen Hausrat, Haustieren und Gerät durch unwegsamen, dichten Urwald, wie er zur Zeit der Kelten hierzulande noch üblich war? Martha Sills-Fuchs schreibt in ihrem Buch von den s.g. Urstraßen, auf denen sich die wandernden Gruppen fortbewegt haben. Diese Urstraßen gehen auf natürliche Phänomene zurück; sie folgen z.B. Fluß- und Bachläufen an denen die Vegetation zurückgedrängt wurde oder sie verliefen oberhalb von Zonen mit erhöhter Erdstrahlung, die dafür verantwortlich sind, daß die Vegetation weniger üppig wuchs. Erdstrahlen findet man über unterirdischen Wasserläufen, Erzadern oder Hohlräumen. Die Kelten könnten sie mit Hilfe von Wünschelruten aufgespürt haben, denn die Menschen vor etlichen hundert Jahren waren noch sehr viel sensibler für die Phänomene der Natur.
Tatsache ist, daß man bei der Beschäftigung mit dem Alltagsleben und der Mythologie der Kelten immer wieder auf deren Auseinandersetzung mit Erdstrahlen stößt. Negative oder positive Auswirkungen der Strahlungsphänomene galten den Kelten als Geister oder Dämonen und sie entdeckten Gegenmaßnahmen zur Abwehr solcher Strahlenwirkungen. So nutzten sie zwar die natürlichen Straßen durch die Waldgebiete für ihre Wanderungen, sie merkten aber auch, daß die Benutzung solcher Wege an den Kräften von Menschen und Tieren besonders zehrten. Sie fanden durch Beobachtung bestimmte Kräuter (z.B. Beifuß und Beinwell), die, unter die Fußsohlen gelegt, die Erdstrahlen absorbieren und den schädlichen Einfluß mildern konnten.
Eine der keltischen Siedlungsformen war das Einzelgehöft, das z.T. in großer Abgeschiedenheit lag und einer ganzen Großfamilie oder Sippe Lebensraum bot. Die Menschen auf diesen Höfen mußten sich mit allen Dingen des täglichen Bedarfs selbst versorgen. Waldflächen wurden gerodet, um die Anbaufläche für Getreide und Gemüse mit einem von Ochsen gezogenen Pflug bearbeiten zu können. Besonders beeindruckend sind die Methoden, die zur Konservierung von Lebensmitteln entwickelt wurden. Salz spielte zum Haltbarmachen von Fleisch eine große Rolle und der Salzhandel war ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.
In Großbritannien stießen Archäologen in Verbindung mit Siedlungen auch immer wieder auf tiefe Gruben, die heute zum Teil als Erdsilos gedeutet werden. Experimente in der s.g. Experimentalarchäologie haben bewiesen, daß man selbst Getreide in feuchten Erdlöchern lagern kann: füllt man ein Erdsilo mit Getreide und verschließt das Loch luftdicht, keimt nur die Getreideschicht, die mit dem Erdreich in Kontakt kommt. Dabei wird der vorhandene Sauerstoff verbraucht und Kohlendioxid freigesetzt. Das Kohlendioxid bringt die Lebensvorgänge des übrigen Getreides zum Stillstand, so daß es monatelang überdauern kann.
Um den Bedarf an Fleisch, Wolle und Milchprodukten zu decken, wurden Schafe, Rinder und Schweine gehalten. Die Nutztiere der Eisenzeit waren fast alle von kleinerem Wuchs als die heutigen Arten und sie glichen noch sehr ihren wilden Vorfahren. Gezähmte Wildkatzen und Hunde, vom Schoß- bis zum Jagdhund waren ebenfalls überall anzutreffen. Hunde wurden auch als Opfertiere verwendet und ihre Häute dienten den Kelten als Sitzkissen. Die Kelten gingen natürlich auch auf die Jagd. Sie scheint allerdings weniger dem Fleischerwerb gedient zu haben als der Hege. Füchse, Dachse, Wölfe und Hasen wurden ihrer Felle wegen gejagt.
Nun gab es bei den Kelten nicht nur Bauern, sondern auch Handwerker, Künstler, die Kaste der Adeligen und der Kämpfer und die der religiösen Führer. Für eine solche gesellschaftliche Gliederung ist es notwendig, daß die keltischen Bauern und Viehzüchter mehr Nahrung produzierten, als für den Eigenbedarf gebraucht wurde. Die Anbaumethoden waren in der Tat so effizent, daß durch den Überschuß Tauch und Handel und eine arbeitsteilige Gesellschaft möglich war.
Je nach geographischen und klimatischen Bedingungen fand eine Spezialisierung der Erwerbstätigkeit statt: die westlichen Keltengebiete zeichneten sich durch große Fruchtbarkeit aus, die Treverer waren für ihre Pferdezucht auch bei den Römern geschätzt. In Gebieten mit vielen Eichen und damit Eicheln gedieh die Schweinezucht und der Handel mit Schweinefleisch ist bis nach Italien nachweisbar. In Irland wurde Weidewirtschaft betrieben und in waldreichen Gebieten wurde mit Holz für den Haus-, Wagen- und Schiffbau gehandelt.
Doch bei aller Euphorie über die erstaunlich fortschrittliche und effiziente Landwirtschaft der Eisenzeit muß erwähnt werden, daß sie nicht allein der Verdienst der Kelten war. An manchen Orten stellten die Kelten nur die herrschende Oberschicht. Zum Beispiel in Gallien war diese Oberschicht nur Nutznießer der Arbeit ihrer Untergebenen und diese Untergebenen waren Sklaven aus der ursprünglich eroberten Bevölkerung. Cicero schreibt über die Gallier: “Den Getreidebau erachten sie als unwürdig, sie wollen lieber, die Waffen in der Hand, das Korn der anderen Völker schneiden.”. Und ein französischer Forscher gibt zu bedenken, daß die Kelten zweifellos größere Eigenschaften der Assimilation als der Erfindungsgabe hatten. Die Fortschritte auf dem Gebiet der Landwirtschaft sind also durch den Austausch mit anderen Volksgruppen, darunter auch den Römern, zu erklären.
Ein wichtiges Standbein der keltischen Wirtschaft war die Metallverarbeitung. Eine besondere Bedeutung hatte das Eisen, das der Zeit, das dem Jahrtausend vor Christus und noch kurz danach, seinen Namen gab. Die Eisengewinnung und –verarbeitung kann als eine Art Großindustrie betrachten werden, die vielen Menschen Arbeit gab. Große Erzbergwerke gab es z.B. in Aquitanien, im Perigord, in Böhmen und in Mähren. Um die Bergwerke bildeten sich Siedlungen und Adelssitze. Die keltischen Schmiede waren wegen ihrer ausgefeilten Technik, ihrer Geschicklichkeit und Kunstfertigkeit auch bei den Römern ausgesprochen gesucht. Es heißt bei Plinius, daß der Schmied Helicon Rom noch vor dem großen Keltenraubzug besucht hat. Plinius berichtet weiter, Helicon habe von Rom eine getrocknete Feige, Wein, Öl und eine Traube mit nach Hause gebracht und damit die gallischen Züge nach Italien ausgelöst. Waffen aus Eisen stellten einen unschätzbaren Wert für das keltische Kriegswesen dar. Ihre militärischen Erfolge verdankten sie zu einem großen Teil ihren eisernen Waffen, die widerstandsfähiger waren als diejenigen etwa aus Bronze. Kein Wunder also, daß die Schmiede in den inselkeltischen Sagen den Göttern gleichgestellt wurden.
Es gab kaum ein Handwerk, bei dem es die Kelten nicht zur Meisterschaft brachten; die Schuster waren in Rom berühmt und nicht nur Wolle, sondern auch fertige Gewebe und Kleidung aus Leinen oder Schurwolle wurden exportiert. Die s.g. Caracalla, knöchellange Kapuzenmäntel, wurden von Kaiser Marcus Aurelius Severus Antoninus in Rom eingeführt. Dieser erhielt dadurch den Beinamen Caracalla.
Besondere Erwähnung verdienen auch die Goldschmiede. Ihre feinen Arbeiten versetzen auch heute noch viele in Verzückung. In den keltisch besiedelten Gebieten gab es viel Gold, z.B. in den Pyrenäen und Cevennen, in der Schweiz und am Rhein. Es gab Goldbergwerke und vielerorts hatte man das Glück, daß Bäche und Flüsse das Gold aus dem Erdreich spülten und man es nur noch “sammeln” mußte. Aus dem Gold wurden neben Schmuck und Kultgegenständen auch Münzen hergestellt. So fand man am Ufer der Donau eine große Anzahl der s.g. “Regenbogenschüsselchen” (Goldmünzen mit aufgebogenen Rändern). Überhaupt beschränkte sich die keltische Wirtschaft nicht auf Tauschgeschäfte. Das Münzwesen war bekannt und verbreitet bevor römische Münzen in Umlauf kamen. Die keltischen Münzen waren zumeist mit Knotenmustern geschmückt.
Auch mit Krankheiten und Verwundungen beschäftigen sich die Menschen. Auf dem Gebiet der Heilkunde hatten es die Kelten zu einem hohen Wissensstand gebracht. In und mit der Natur lebend, waren ihnen eine große Anzahl von Heilkräutern bekannt. Als Heilwasserquellen vermischten sich Erfahrungen mit religiösen Vorstellungen. Es gibt zum Beispiel in der Nähe von Kaiserslautern eine Quelle, an der sich ein altes gallokeltisches Heiligtum befindet. Dorthin kamen die Menschen, um den Göttern zu opfern und von dem Wasser, das insbesondere bei Augenleiden Linderung bewirkte, mit nach Hause zu nehmen. Am Fuße der Quelle fand man Reste einer Töpferei, in der eigens Gefäße für das Abfüllen des Wassers hergestellt wurden. Noch in diesem Jahrhundert wurde das Quellwasser zur Behandlung von Bindehautentzündungen genutzt. Man hat bei Wasseranalysen festgestellt, daß das Wasser des Quellheiligtums Bor enthält.
Auch chirurgische Eingriffe wurden von den Kelten durchgeführt – entsprechende Instrumente hat man als Grabbeigaben gefunden. Besonders faszinierend ist die Vorstellung von Schädelöffnungen, die zur Behandlung von Kopfverletzungen und vielleicht auch bei psychischen Störungen vorgenommen wurden. Man hat Schädelbohrer gefunden und Schädel mit den entsprechenden Spuren solcher Eingriffe. Nachgewachsenes Knochenmaterial an manchen Fundstücken beweist, daß die Operationen überlebt wurden.
Auch beim Thema Gesundheit stößt man wieder auf die Kraft von Erdstrahlen, die den menschlichen Organismus empfindlich stören können. Um diesen Einfluß entgegen zu wirken, haben die Kelten einige wirksame Mittel eingesetzt. So soll die Mistel strahlungsabsorbierend wirken ebenso wie Stroh, das von den Kelten als Matratze benutzt wurde. Um die abschirmende Wirkung des Strohs gegen Strahlen von unter zu verstärken, wurden dem Stroh getrocknete Kräuter beigemischt. Zum Beispiel Mannstreu, das seinen Namen nicht von der Treue ableitet sondern von Mann und Streu und ein Pflänzchen mit dem schönen Namen Liebfrauenbettstreu. Auch Rauch wurde wegen seiner keimtötenden Eigenschaften zu heilerischen Zwecken verwendet. Heute noch ist es in manchen Regionen vor allem in der Alpenländern Brauch, während der Rauchnächte, Haus und Stall durch das Ausräuchern mit bestimmten Kräutern vor schädlichen Einflüssen zu schützen.